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Zahnverschmelzung, Fusion der Zähne 42 und 43

Die Patientin stellte sich als Neuaufnahme zur Routinekontrolle vor. Als Besonderheit der Zahnentwicklung ohne Krankheitswert liegt eine Verschmelzung des rechten Unterkiefereckzahnes mit dem seitlichen Schneidezahn vor.

Die Verschmelzung (Fusion) betrifft bei dieser Patientin Wurzeln und Kronen.

Fusion-42-und-43-v

Das folgende Bild zeigt die inzisale Ansicht der Dentes confusi:

Fusion-42-und-43

Karies dicht und dauerhaft einschließen – „The seal is the deal“?

Im Gasteditorial der Deutschen Zahnärztlichen Zeitschrift vom November 2009 behandelt der Kollege Meyer-Lückel aus Kiel, die Frage, ob Karies vollständig entfernt werden muss, oder ob es besser sei, Karies teilweise oder ganz zu belassen.

Karies ist eine der häufigsten Erkrankungen weltweit, und die Kosten, die durch Karies entstehen, sind enorm.

Bisher wurden die Zahnärzte darauf gedrillt, Karies ganz zu entfernen. Ich erinnere mich noch an meine Studentenzeit, als wir von Prof. Klaiber und seinen Oberärzten angeleitet, mit Kariesdetector und Lupenbrillen bewaffnet, die vollständige Kariesentfernung üben durften.

In der praktischen zahnärztlichen Tätigkeit habe ich diese gründliche, vollständige Kariesentfernung beibehalten und sogar noch verfeinert. Die Lupenbrille wurde stärker, zeitweise verwenden wir sogar ein Mikroskop und die Instrumente sind feiner geworden. Der Kariesdetektor wird regelmäßig angewandt und das wird auch so bleiben.

Was folgt nämlich aus dem „Paradigmenwechsel“ den Kollege Meyer-Lückel beschreibt?

Zum einen ist die Überschrift mit einem Fragezeichen versehen.

Es wird angeführt, dass Karies im pulpennahen Bereich belassen werden sollte. Das würden zwei Übersichtsarbeiten zeigen [2 ,3].

Kidd [2] zeigt in seinem Artikel, dass die Diskussion darüber, wie viel kariöse Substanz entfernt werden sollte, schon alt ist:

„The discussion as to how much tissue must be removed in order to arrest the caries process is not new. In 1859, John Tomes [1859] wrote, ‘it is better that a layer of discoloured dentine should be allowed to remain for the protection of the pulp rather than run the risk of sacrificing the tooth’, but in 1908, G.V. Black [1908] disagreed claiming ‘… it will often be a question of whether or not the pulp will be exposed when all decayed dentine overlaying it is removed … it is better to expose the pulp of a tooth than to leave it covered only with softened dentine’.“

Hier haben wir zwei historische „Expertenmeinungen“. Die Ansicht von Black hat einen größeren Einfluss in der Zahnheilkunde gewonnen. Zudem hat das Belassen von pulpennaher Karies die Anmutung von unsauberem und wenig sorgfältigem Arbeiten. Wer, auch gut begründet und überlegt, pulpennah Karies belässt, setzt sich der Gefahr der Kritik durch Kollegen aus.

Was tun?

  • Mein Vorschlag wäre, an die Forschung gerichtet, große Studien zu den verschiedenen Methoden der Kariesbehandlung auf hohem Evidenzniveau durchzuführen.

Als vorläufige Empfehlung aufgrund der vorhandenen wissenschaftlichen Evidenz:

  • Pulpennahes kariöses Dentin eher belassen und die Kavität dicht adhäsiv verschließen. Das setzt die vollständige Kariesentfernung an den Kavitätenrändern voraus. Ein Vorteil wäre die größere Wahrscheinlichkeit der Vitalerhaltung der Zähne und ein minimalinvasiveres, schonenderes Vorgehen. „The seal is the deal.“
  • Versiegelung gesunder Fissuren und Grübchen unmittelbar nach Zahndurchbruch – auch: „The seal is the deal.“
  • Versiegelung initialkaröser Läsionen, bevor sie zu Löchern werden – entspricht auch dem „The seal is the deal.“

„The disparity of methodologies militates against a systematic review of the studies, but some uniform themes emerge. Sealed lesions appeared to arrest both clinically and radiographically. Investigations of the fate of the sealed bacteria showed a decrease in micro-organisms with time or their complete elimination. There was no pulpitis reported in sealed teeth. On the other hand, lesions progressed where sealants were lost and in unsealed, control teeth [2].“

  • Restaurationen mit Randspalten ersetzen – ebenfalls „The seal is the deal.“
  • Prophylaxe durch Plaquekontrolle, Fluoridierung, Ernährungslenkung und regelmäßige Kontrollen

Referenzen:

  1. Meyer-Lückel, H. (2009). „Paradigmenwechsel in der Kariologie – „The seal is the deal“?“ DZZ – Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift 64(11): 641-642.
  2. Kidd, E. A. M. (2004). „How ‚Clean‘ Must a Cavity Be before Restoration?“ Caries Res 38: 305-313.
  3. Ricketts DNJ, Kidd EAM, Innes N, Clarkson J. Complete or ultraconservative removal of decayed tissue in unfilled teeth. Cochrane Database of Systematic Reviews 2006, Issue 3. Art. No.: CD003808. DOI: 10.1002/14651858.CD003808.pub2

Wie gut sind vorbeugende Maßnahmen?

Ein Bekenntnis, Vorbeugen sei wichtiger als Heilen, wird überall schnell gegeben. Jeder Arzt und Zahnarzt, jeder Gesundheitspolitiker und Patient stimmt dem zu. Natürlich will keiner krank werden und jeder will seine Gesundheit erhalten.

Welche Dinge führen aber zur Erhaltung der Gesundheit? Wie wirksam sind diese Maßnahmen?

Wer darüber genauere Auskunft möchte, sucht nach messbaren Ergebnissen und zuverlässigen wissenschaftlichen Methoden. Die bloße Meinung oder die persönliche Erfahrung, selbst die Ansicht von „Autoritäten“, reicht hier nicht aus.

Wie kann man also die Wirkung einer vorbeugenden Methode messen?

Hier bietet die Statistik Hilfe. Für den einzelnen Menschen weiß man nicht sicher, ob er, wenn er jetzt gesund ist, später einmal krank wird. Man untersucht also nur das Risiko der Menschen, eine bestimmte Krankheit zu bekommen.

Und bei den vorbeugenden Maßnahmen untersucht man die Verringerung dieses Risikos.

Der leicht verständliche statistische Fachausdruck ist „Risikoreduktion“.

Das Risiko bestimmt sich aus dem Verhältnis der Erkrankten zur Gesamtzahl der untersuchten Menschengruppe. Zum Beispiel konnte man aufgrund der Daten im Jahr 2005 bei Kinder (12 Jahre) ein Kariesrisiko von 30% feststellen. Das Kariesrisko für Zwölfjährige betrug somit 0,3 (=30%).

Abstrakt drückt man das so aus:

a ist die Anzahl erkrankten Personen

b ist die Anzahl der nicht Erkrankten

Das Risiko ist das Verhältnis von den Erkrankten (a) zu allen Personen, erkrankt und nicht erkrankt (a+b).

R (Risiko) = a / a + b

Jetzt ist natürlich für vorbeugende Maßnahmen interessant, wie stark sie das Risiko senken. Es kann also durch prophylaktische Interventionen nicht mit absoluter Sicherheit bei dem Einzelnen verhindert werden, dass er erkrankt. Was erreicht werden kann, ist, dass das Risiko zu erkranken sinkt.

Wenn zum Beispiel eine neue Zahncreme zum Schutz vor Karies in der Testgruppe das Risiko für Karies bei 12jährigen auf 10% oder 0,1 senkt, dann wäre das im Vergleich zur Kontrollgruppe mit einem Risiko von 0,3 ein schöner Erfolg.

Die absolute Risikoreduktion würde dann 0,2 oder 20% betragen (0,3 – 0,1).

Beeindruckender, und damit für Werbezwecke geeigneter, ist die relative Risikoreduktion.

Die relative Risikoreduktion ist das Verhältnis der Risikoreduktion zum Risiko der Kontrollgruppe: 0,2 / 0,3 = 0,66

In Prozent ausgedrückt reduziert sich das relative Risiko um 66%. Das klingt natürlich besser als die absolute Risikoreduktion von 20%.

Referenzen:

  1. Feinstein, A. R. (2002). Principles of medical statistics. Boca Raton London New York Washington, D.C., Chapman & Hall/CRC. S. 340 ff.
  2. BROWNSON, R. C. and D. B. PETITTI, Eds. (1998). Applied Epidemiology: Theory to Practice. Oxford New York, Oxford University Press. S. 229 ff.
  3. Relative risk. (2009, June 15). In Wikipedia, The Free Encyclopedia. Retrieved 10:49, October 27, 2009, from http://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Relative_risk&oldid=296542914
  4. Relative risk reduction. (2009, June 16). In Wikipedia, The Free Encyclopedia. Retrieved 10:47, October 27, 2009, from http://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Relative_risk_reduction&oldid=296733450
  5. Grischa Brauckhoff, T. K., Birte Holtfreter, Olaf Bernhardt, Christian Splieth, Reiner Biffar und Anke-Christine Saß, Ed. (2009). Mundgesundheit. Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Robert Koch-Institut, Statistisches Bundesamt.


Wie gut sind wissenschaftliche Studien? Eine Antwort gibt „Jadad-Scale“

Patienten und Zahnärzte wollen wissen, wie gut ein Verfahren z.B. die Vorbeugung gegen Karies mit Silber-Amin-Fluoriden ist. Man könnte die „Informationsmaterialien“, also die Werbung der Hersteller entsprechender Präparate heranziehen. Das wäre einseitig, die Gefahr ist groß, dass der Nutzen übertrieben und unerwünschte Nebenwirkungen heruntergespielt werden.

Wirklich unabhängige wissenschaftliche Studien können verläßlichere Informationen für die Bewertung eines Verfahrens geben. Aber auch hier stellen sich Fragen. Nicht alle wissenschaftlichen Arbeiten sind gut. Manche Studien sind nur mittelmäßig und mache Untersuchungen sind in Methode und Durchführung unzureichend.

Wie findet man also die guten, zuverlässigen Studien heraus? Der bekannteste Maßstab für die Methode wurde an der Universität Oxford entwickelt. Er heißt „Jadad-Scale“ und ist nach dem Mediziner Alejandro Jadad-Bechara benannt.

Es werden 0 bis 5 Punkte vergeben. Für die folgenden Fragen gibt es Punkte oder Punktabzüge:

  1. Wurde die Studie als randomisierte Studie beschrieben? Wenn ja, 1 Punkt.
  2. War die Randomisierung sachgerecht? 1 Punkt bzw. 1 Punktabzug.
  3. Wurde die Studie als doppelblind beschrieben? 1 Punkt
  4. War die doppelte Verblindung sachgerecht? 1 Punkt bzw. 1 Punktabzug.
  5. Wurden Ausfälle begründet? 1 Punkt

Der Jadad-Scale dient der schnellen Beurteilung der methodischen Qualität von Studien. Er kann als Kriterium der Auswahl von Studien für Metastudien verwendet werden. Zur Vermeidung von Bias sollte der Scale von mindestens zwei Personen durchgeführt werden.

Referenzen:

  1. Jadad, A. R., R. A. Moore, et al. (1996). „Assessing the quality of reports of randomized clinical trials: Is blinding necessary?“ Controlled Clinical Trials 17(1): 1-12.
  2. Jadad scale. (2009, August 22). In Wikipedia, The Free Encyclopedia. Retrieved 09:30, October 24, 2009, from http://en.wikipedia.org/wiki/Jadad_scale